„Europa braucht die Vielfalt der Sprachen“

Katja Sturm-Schnabl ist Sprachwissenschaftlerin und Literaturhistorikerin. Sie engagiert sich für eine Vielfalt der Sprachen und Kulturen. Im Interview über das slowenische Dasein in Wien, ihre humanistische Vision und die Bedeutung von Sprache in der (europäischen) Gesellschaft.

Über das Slowenische in Wien.
Sturm-Schnabl: „Das Slowenische in Wien hat eine lange Tradition. Zur Zeit des Humanismus kam ein Viertel der Studenten aus slowenischen Ländern. Der erste Bischof Jurij Sladkonja war Slowene. Ivan Cankar, der große Schriftsteller der slowenischen Moderne um die Jahrhundertwende hat gerade aus seinem Leben in Wien heraus bedeutende Beiträge zur slowenischen Kulturgeschichte geleistet. Wien ist also ein zentraler Ort der slowenischen Kulturgeschichte.“

Über das Scheitern von interkulturelle Dialog auf politischer Ebene.
Sturm-Schnabl: „Dort, wo einzelne unverantwortliche Politiker der Macht und dem finanziellen Vorteil verschrieben sind, dort ist für humanistische Werte und langfristige Visionen einer humanistischen Gesellschaft wenig Platz – vor allem zum Schaden der Mehrheit selbst. Und der interkulturelle Dialog, der so bereichernd sein kann, ist eben Ausdruck eines tiefen Humanismus.“

Über das typisch Slowenische.
Sturm-Schnabl: „Mit dem typisch Slowenischen, Slawischen, habe ich so mein Unbehagen. So wie heute alle Englisch lernen müssen, wäre ein weiter verbreiteter qualitativ hochwertiger Slowenisch-Unterricht sicherlich ein wichtiger struktureller Beitrag für eine demokratische Gesellschaft. Um die Gesellschaft zukunftsfähiger zu gestalten. Oft mangelt es an einer humanistischen Vision. An unterschiedlichen, oft unbewusst als kognitive Dissonanzen transportierten Nationalismen. Am Wegschieben politischer Verantwortung.“

Über die Lebendigkeit von Sprache.
Sturm-Schnabl: „Eine Sache ist die allgemeine Lebendigkeit jeder Sprache und jedes Dialektes, dort wo Dinge ohne gesellschaftlichen oder psycholinguistischen Druck geschehen. Ein anderes wäre der katastrophale Verlust der Vielfalt, die gerade Quelle der geistigen Zukunftsfähigkeit ist. So wie Demokratie von Vielfalt und unterschiedlichen Meinungen und Imperfektionen lebt, so braucht Europa die Vielfalt der Sprachen.“

Über die Vielfalt der Literaturgeschichten.
Sturm-Schnabl: „Die Vielfalt der menschlichen Erfahrungen drückt sich in den verschiedenen Literaturgeschichten aus. Gerade die slowenischen Kultur- und Literaturgeschichte ist gekennzeichnet durch das fast übermenschliche Engagement, Menschlichkeit in die Gesellschaft einzubringen. Die slowenischen Volkspoeten, die bukovniki aus Kärnten, sind dafür ein hervorragendes Beispiel. Sie haben Hochliteratur weit über dem Niveau der allgemeinen üblichen Folklore geschaffen. Das ist ein unglaublicher zivilisatorischer Beitrag, auf den Österreich stolz sein kann.“

Über die Förderung der Minderheiten.
Sturm-Schnabl: „Die Förderung der Minderheiten ist enorm wichtig, weil sie sonst strukturell unter die Räder kommen.“

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