Ums Eck gedacht – oder der Elfenbeinturm

In „Zeitgenossenschaftliche Kunst zwischen Wahn und Wiederkäu“, im Sinne „Kleine Anekdoten und Kommentare bildlicher Natur“, äußert er sich. Lorenz Bögles „Elfenbeinturm“. Scheinbar museal gezimmertes panoptisches Chaos. Reizgegenübergestellt ist er mehrerlei. Spiegelkabinett der Exspiration einer neulebendigen Bohème. Exhibierung des unbequemen Geistes – aus einer verrufenen Isolation. Widerborstigkeit gegen den Stempel der Weltfremdheit. Schlüsselloch der Erkenntnis anti selbstgefälliger Voyeure. Grundstoff ist der Moment für Bögles Gebilde. So wie er hier eintaucht, gefallen sich auch Auge und Herz als Flaneure, Scheinheiligkeiten zu durchstoßen. Voller Sehnsucht nach Erkenntnissen und Erinnerungen. Zeitdurchbrechend. Raumerhöhend. Dazwischen immer wieder künstlerische Lebensrealität. Das Anekdotische ist gewissermaßen Genre dieses Augenblicks. Selbst der schwere, wulstige Rahmen um ein verhungerndes Blatt ist Statement. Zu einer Welt, die in extremen Ausschlägen zwischen Schein und Sein oszilliert.
Eine Welt, die ungeheuer schnelllebig ausufert, dass der aufgeschälte Elfenbeinturm Zuflucht für eilenteilende Atemholer wird. Ein Innehalten und Begreifen. Zu bewahren, was teuer. Einzuverleiben, was komplettiert. Als Sammler. Als Weltenmacher. Aus Gehabtem formen sich Reminiszenzen. Die Wände des Elfenbeinturmes müssen nicht gerade scheinen. Kunstwege schlängelten sich durch historisches Dickicht menschenkonstruierter Unebenheiten. Bögle spielt zudem subtil mit Substanz, mit Formen, die der Kunstgeschichte Kontur gaben und individualisiert sie humorvoll. So erfährt das antike Haupt des altgriechischen Tyrannen und Kunstmäzens Peisistratos eine ganz eigene Renaissance. Vermischt mit dem Eigenwillen des gelbhäutigen und blauäugigen Selbstporträts Martin Kippenbergers. Ausgesprochen: „Einer mit euch, einer unter euch, einer von euch.“ Dass daraus ein „Einer unter euch, einer von euch, einer mit euch, einer gegen euch“ wird, unterstreicht das Paradoxon. Blauäugig mit Überzeugung für eine gute Sache mit Hintertücke. Die Auseinandersetzung des Neuen Wilden mit einem vehementen und verspielten Ausrufezeichen in Richtung des Daseins. Durchdringung. Der Elfenbeinturm des aufstrebenden, zeitgenössischen Künstlers (Lorenz Bögle) ist kein Versteck. Er ist Handlungsort jäher Auseinandersetzung mit den Gegensätzlichkeiten der Umgebung. Mit seinem Platz in ihr. Mit sich selbst. Ein Labor des Materialisierens und Entmaterialisierens. Entdeckungsraum. Selbstversuchstrommel. Der Betrachter hört hin. Ein Schlagen hat viele Nuancen. Und nicht immer die Wucht ist es, die erschüttert.
Der Elfenbeinturm. Museales Scheinbar. Eigene Worte über das Eigengeformte, das selbst zur Lebenskunst wird. Von Form bis Jetzt. Ums Eck gedacht.

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