Bergsommer im Kaunertal

Das Kaunertal in Tirol. Als „romantisch und wild“ wird es beschrieben. Lange Zeit durch Verkehrswege nur spärlich erschlossen, hat sich hier im Tiroler Westen ein ganz eigentümliches Kleinod erhalten. Im Angesicht des Kaunertaler Gletschers, der sich mit seinen 3.526 Metern unter den zehn höchsten Gipfeln Österreichs befindet, entfaltet sich ein eigentümliches Dasein im Einklang mit der Natur und in der Pflege überlieferter Traditionen. Die neue Dokumentation von Christian Papke taucht ein in diese Welt. Sie begegnet Menschen, die ihr Leben der Region widmen und ihre Erinnerungen an damals teilen.
Aus dem Kaunertal von früher weiß der erfahrene Bergführer Sepp Praxmarer zu berichten, der den aufkeimenden Bergsteigertourismus mitbegründet hat und dem zu Ehren der verwegene„Holderli Seppl-Klettersteig“ im hinteren Kaunertal benannt ist. Auch die alteingesessene Landwirtstochter Anna Kiechler – ein Kind der 1930er Jahre – kennt das karge, beschwerliche Leben von anno dazumal.
Anfang der 1960er Jahre fuhr schweres Gerät im sonst so ruhigen Ort auf. Ein gigantisches Projekt stand an: Ein Staudamm sollte errichtet werden, für den so genannten Gepatschspeicher, der immer noch das Kaunertalkraftwerk speist. Über 3.200 Arbeiter brachten nicht nur ungewohnten Trubel. Sie fertigten innerhalb weniger Jahre einen der höchsten Schüttdämme der Welt: 600 Meter lang und 153 Meter hoch. Vieles geschah noch per Hand. Und einer dieser damaligen Pioniere ist der aus der Oststeiermark stammende Elektriker Adi Spanninger. Der Bau und die Liebe halten ihn bis heute hier.
Beim Gepatschspeicher vorbei führt die Kaunertaler Gletscherstraße – im Zuge des Dammbaus breit ausgebaut und asphaltiert – ins Gletschergebiet, wo man heute Schifahren und eine Gletscherspalte begehen kann: Bereits 1997 wurde im Zusammenschluss örtlicher Landwirte der Naturpark Kaunergrat gegründet, um die eindrückliche Natur- und Kulturlandschaft in der Region zu erhalten. Geschäftsführer Ernst Partl beobachtet nicht nur die Folgen des Klimawandels anhand der Gletscherstruktur. Eines seiner Herzstücke im mehrfach ausgezeichneten Schutzgebiet ist das Naturdenkmal Piller Moor. Vor Jahrtausenden unter einer gewaltigen Eisschicht, weit später Quelle für heizbare Torfziegel, führt heute ein Moorlehrpfad an den besonderen Lebensraum heran.
Nicht weit entfernt wuselt in den Bienenstöcken von Meinrad Falkeis die Braunelle. Die sogenannte „dunkle Biene“ vor dem Aussterben zu retten, hat sich der nunmehrige Obmann des Bienenzuchtvereins Kauns-Kaunerberg-Kaunertal zur Aufgabe gemacht. In den Schatten der Carnica geraten und als aggressiv verrufen, wurde die hierzulande bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts vorherrschende Honigbiene weit zurückgedrängt. Heute beherbergt das Kaunertal ungefähr ein Drittel aller in Österreich vorkommenden Bienenvölker der „dunklen Biene“. Etliche von ihnen sind im Garten der Ögg-Höfe angesiedelt.
Wieder zurückgefunden in seine Heimat, hat der jahrelang als Schiffskoch und Hotelmanager durch die Welt getingelte Georg Praxmarer. Drei Jahre lang sanierte er im Alleingang einen der Ögg-Höfe, die ältesten Bauernhöfe im Kaunertal, hoch über diesem thronend. Der von ihm renovierte Hof ist Teil seiner Familiengeschichte, daher wollte er das bereits vor 600 Jahren erwähnte Relikt bäuerlichen Lebens unbedingt erhalten. Dabei war es zuvor um das seit 1980 nicht mehr bewohnte Hofensemble still geworden.
Seinen Wurzeln treu geblieben, ist auch Anton „Toni“ Wille, ein Kaunertaler Original. Er pflegt die Landwirtschaft, wie sie bereits sein Vater und sein Großvater handhabten, und er lässt hierbei der Natur möglichst großen Vorrang. Schon in jungen Jahren ein Faible für Musik, brachte er sich autodidaktisch Klavier und dann in der örtlichen Wallfahrtskirche Kaltenbrunn Orgel bei. Irgendwann begann Toni seiner Leidenschaft zu folgen und alte, historische Klaviere zu sammeln. Für sie errichtete er ein eigenes Flügelhaus in Nufels und hat auch sonst noch Großes vor.

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