Der junge österreichische Musiker und Komponist Eric Ziegelbauer vereint auf beeindruckende Weise die Ernsthaftigkeit und das Spielerische seiner Kunst. Im KULTURTODATE-Interview erzählt er unter anderem über die Anfänge seines Künstlerweges, seine aktuellen Projekte, den Reiz der Improvisation und die wichtigste Botschaft seines Schaffens.
Was hat bei dir die Freude an der Musik geweckt? Was hat dich dranbleiben lassen?
Ziegelbauer: „Ich komme aus einer musikalischen Familie und war immer von Klängen umgeben. Ein wichtiger Anstoß war eine CD von Louis Armstrong, auf der er mit seiner Trompete abgebildet war. Dieses Bild – zusammen mit den Klängen darauf – hat mich derartig fasziniert, dass ich Trompete lernen wollte. Später entdeckte ich auch das Klavier für mich und habe immer mehr Gefallen daran gefunden, Klänge zu erforschen. Die Tatsache, dass es in der Musik immer etwas Neues zu entdecken gibt, egal in welcher Form, treibt mich nach wie vor an.“
Was macht für dich den Reiz der Improvisation aus ?
Ziegelbauer: „Grundsätzlich ist Musik für mich eine sehr tiefgreifende Form der Kommunikation. Jedes Stück, sogar jeder Klang bringt dich in eine neue Welt. Improvisation ist in diesem Gedanken nichts anderes als eine sehr schnelle und oft unreflektierte Art der Kommunikation. Mich reizt es an dieser Stelle spontan Zusammenhänge zu schaffen, ins kalte Wasser zu springen, das zu tun, wofür ich in der Komposition zu viel Zeit habe.“
Welche sind deine wichtigsten Inspirationsquellen ?
Ziegelbauer: „Beziehungen in jeglicher Form, Bewegung im Freien, gutes Essen, sämtliche Arten von Kunst und genug Ruhephasen.“
Was zeichnet für dich die Kunst „Musik“ aus ?
Ziegelbauer: „Musik ist lebendig, sogar körperlich, und kann sehr tröstend sein.“
Welchem Komponsiten hättest du gerne über die Schulter geschaut ?
Ziegelbauer: „Im Moment hätte ich gerne Scott Bradley über die Schulter geschaut. Er hat wahnsinnig tolle Orchestermusik geschrieben. Unter anderem ganz viel Musik für die Tom & Jerry – Filme.“
Als Retrospekt auf das etwas zu kurz gekommene Beethoven-Jahr: Hättest du Beethoven begegnen können, was hättest du ihn gefragt?
Ziegelbauer: „Ich würde ihn fragen, ob er Lust hätte, mit mir auf einen Kaffee zu gehen und über Kompositionsprobleme bzw. Improvisation zu sprechen. Falls er einem solchen Treffen zustimmen würde, gäbe es im besten Falle viele Fragen und Antworten von beiden Seiten.“
Wie nah bist du dem Instrument beim Komponieren?
Ziegelbauer: „Es gibt einige Ideen, die nahe am Instrument entstehen, jedoch nicht alle. Im Kompositionsprozess ist es mir wichtig das Instrument bzw. das Musikprogramm erst zur Überprüfung zu verwenden. Es gab schon Stücke, die ich vom Klavier aus komponiert habe, aber auch solche, die nur an einem Tisch entstanden sind und dann erst im Nachhinein mit Instrument modifiziert wurden.“

Warum wolltest du eigentlich Komposition studieren?
Ziegelbauer: „Ich hatte den Wunsch ein Handwerk zu erlernen, das mir erlaubt musikalische Ideen bestmöglich zu realisieren. Recht bald merkte ich, dass mir nur ein Instrument als Ausdrucksmittel zu wenig ist.“
Wie wichtig ist es, Kunst über ihre Grenzen hinaus zu denken?
Ziegelbauer: „In diesem Fall gibt es für mich keine großen Unterschiede zwischen Komposition und Improvisation. Es ist gut innerhalb gewisser Grenzen zu bleiben um etwas zu erschaffen, das eventuell Grenzen überwindet. Wichtig finde ich es an der Stelle zu spüren, wo es einen innerhalb eines Stücks oder einer Improvisation hintreibt und ob man auch wirklich dorthin will. In der Improvisation geht das äußerst schnell. In Summe würde ich sagen: Es ist gut, die Grenzen seines Werkes, in welcher Form auch immer, zu kennen. Darüber hinaus würde ich vorsichtig werden.“
Wie beobachtest du den Stellenwert der Kunst dieser Tage?
Ziegelbauer: „Ich glaube nicht, dass Kunst und Kultur in Österreich durch die Krise an Stellenwert verloren hat und in Zukunft verlieren wird. Sobald es wieder geht werden sich alle irrsinnig freuen, endlich wieder auf ein Live-Event gehen zu können. Ich sehe außerdem eine Chance auf Veränderung und Veränderung ist meistens gut, wenn auch angsteinflößend.“
Warum ist Kunst für die Gesellschaft wichtig?
Ziegelbauer: „Weil sie den Menschen immer wieder daran erinnert, dass sie/er mehr kann als nur seine Aufgaben zu erfüllen. Außerdem ist sie dazu in der Lage Teufelskreise zu durchbrechen.“
Wie würdest du deine Kunst, deinen Stil beschreiben? Welche Aspekte und welche Herangehensweisen sind dir besonders wichtig und prägen dich derzeit?
Ziegelbauer: „Derzeit bin ich auf der Suche. Ich will keine Kunst machen, die eine gewisse Moral predigt oder Menschen verurteilt. Mich reizt es in jedem meiner Zuhörer*innen etwas auszulösen. Sei es Entspanntheit, neue Ideen, die Lust auf eine Wanderung, das ist ganz egal. Mein Stück Frames wäre für diese Idee ein gutes Beispiel. Am wichtigsten ist es mir, dass Menschen bei meiner Musik alle Sorgen, alle Probleme, den ganzen Stress des Alltags für eine kurze Zeit vergessen können und gleichzeitig einen frischen Wind und Trost bekommen. Rein musikalisch gesehen experimentiere ich gerade mit alten Techniken, zum Beispiel mit Kontrapunkt. Im besten Fall entsteht ein Stück, das so wirkt als wäre es immer schon dagewesen, obwohl es noch nie da war.“
Was ist das Essentielle für dich? Was ist dein Motor?
Ziegelbauer: „Meine Unzufriedenheit. Sie geht mir gleichzeitig furchtbar auf die Nerven und ist doch ein wunderbarer Motor.“
Was gibt es über deine neueste Komposition zu sagen?
Ziegelbauer: „Gerade arbeite ich an einem Trio für Oboe, Klarinette und Fagott. Ich habe zum ersten Mal versucht ein Stück streng zu konstruieren. Dabei half mir unter anderem die sogenannte Pitch Class Set-Theorie. Die Herausforderung bestand darin, mit dieser etwas starren Theorie ein interessantes, auch für das Gehör nachvollziehbares Stück zu schreiben. Aktuell hänge ich an der Feinarbeit, sprich: Artikulation, Zeitmanagement, Melodien, etc. Da geht es oft um einzelne Töne, die nicht passen, oder plump wirken und die Frage, wie ich mit denen umgehe. Parallel dazu hatte ich eine melodische Idee, die zu einer Improvisation namens B(r)asspower geworden ist. Eine ganz andere, aber sehr lustige Arbeit.“
Welche war deine allererste Komposition?
Ziegelbauer: „In der Unterstufe musste ich im Englischunterricht ein Gedicht auswendig lernen. Um es nicht auswendig lernen zu müssen habe ich das Gedicht mit der Hilfe meines Vaters vertont und der Englischlehrerin die Noten auf den Tisch gelegt. Das war meine erste, von meinem Vater aufgeschriebene, Komposition.“
Mit welchen drei Adjektiven würdest du deine Kunst beschreiben?
Ziegelbauer: „Tröstend, anregend, aufbauend, im besten Falle.“
Und die wichtigste Botschaft deiner Kunst?
Ziegelbauer: „Mit einem Wort würde ich die Botschaft so beschreiben: Offenheit.“
Wie kann man Berührungsängste mit dem Fremden in der Kunst abbauen?
Ziegelbauer: „In dem man einen Rahmen schafft, in dem das Fremde greifbar wird und nicht einfach nur fremd ist. Man denke nur an Bartoks Rumänische Volkstänze.“
Mit welchen aktuellen Projekten bist du derzeit beschäftigt?
Ziegelbauer: „Aktuell arbeite ich an einer musikanalytischen Arbeit zu einer zeitgenössischen Vertonung des Films „Nosferatu“ von Friedrich Wilhelm Murnau. Kompositorisch setze ich mich gerade mit Scott Bradley, Leonhard Bernstein, Dmitri Schostakowitsch und George Gershwin auseinander, im Hinblick auf ein Orchesterstück mit der Frage: Wie bringe ich ein Orchester zum „grooven“?“
Was wünschst du dir für die Zukunft?
Ziegelbauer: „Ich wünsche mir wieder echte Gespräche, Diskussionen, Feiern und eine gewisse Sorglosigkeit.“
Eric Ziegelbauer ist auf Soundcloud.
Die nächste Möglichkeit Eric Ziegelbauer zu hören: voraussichtlich im Frühjahr 2021. Gemeinsam mit dem Chorus Alea.
In spe: baldiger Auftritt mit seiner Improvisationstheatergruppe M.I.A. Mixed Impro Arts.
Außerdem angedacht: die ein oder andere Show mit Improdiem.
Und als Sänger der Wiener Singakademie freut er sich auf die Carmina Burana (Carl Orff), die Anfang April 2021 im Großen Saal des Wiener Konzerthauses über die Bühne gehen soll.
Beitragsbild: Eric Ziegelbauer mit dem Instrument | © Issa Heliz